Die arabisch-islamische Judenverfolgung marschiert, aber in Global-Deutschland darf sie nicht beim Namen genannt werden.    

Der neue Antisemitismus und seine Relativierer

19.4.2018

Das Handyvideo vom Angriff auf zwei Männer – auf offener Straße im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg – zeigt eine völlig enthemmte Gewalt. Der Täter, der inzwischen als syrischer Migrant identifiziert wurde, hat nur einen Ledergürtel in der Hand, aber er kann gar nicht mehr aufhören, auf seine Opfer einzuschlagen. Die Schreie, die er dabei ausstößt, sind nicht zu verstehen, aber das arabische Wort für „Jude“ ist dabei. Er hat seine Opfer anhand der jüdischen Kippa, die sie trugen, ausgewählt. Eine Menschenjagd am helllichten Tag. Was wäre geschehen, wenn der Mann ein Messer, ein Beil oder gar eine Schusswaffe zur Verfügung gehabt hätte?

Hier ist nicht irgendeine Gewalttätigkeit am Werk, sondern ein rasender Vernichtungswillen. In Deutschland findet eine Judenverfolgung statt, mit dem totalitären Ziel, ihre Existenz auszulöschen. Soll man schreiben „findet wieder statt“? Nein, denn an diesem neuen Vernichtungswillen ist nichts Deutsches. Er ist originär arabisch-islamisch. Er wird von einer Radikalisierung getrieben, die zur inneren Krise der arabisch-islamischen Welt gehört. Die Tiefe dieser Krise hat hier einen der größten Aggressionsherde der Gegenwart entstehen lassen. Der Angriff vom Prenzlauer Berg ist keine extremistische Übertreibung, kein bloßes Aus-dem-Ruder-Laufen. Gerade erst wurde von Berliner Grundschulen berichtet, an denen Schulkinder, von ihren Migranteneltern aufgehetzt, auf ihre jüdischen Mitschüler einprügelten. Das alles hat System und eine sich steigernde Dynamik. Die nächste Stufe kann man in unserem Nachbarland Frankreich sehen.

Es gibt einen neuen Antisemitismus. Er wurde weder in Deutschland noch in Frankreich noch in einer anderen westlichen Demokratie geboren, sondern er ist dort eingewandert. Das wurde zugelassen. Der arabisch-islamische Antisemitismus ist ein zugelassener Antisemitismus.

Zu diesem Zulassen gehört, dass er nicht bei seinem vollen Namen genannt wird, sondern nur allgemein benannt und dadurch relativiert wird. Die Relativierungsformel lautet: Wir sind gegen Antisemitismus „in jeder Form“. Oder noch genereller: Wir sind dagegen, dass Menschen „aufgrund ihrer Herkunft, Hautfarbe oder Religion angegriffen“ werden. Und schon ist der Blick umgelenkt ins Allgemeine. Wir sollen Zuflucht suchen in einem allgemeinen Prinzip. Statt uns dem Angriff zu stellen, der jetzt im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland gegen seine jüdischen Bürger erfolgt, sollen wir uns in einer Weltbetrachtung ergehen. Daraus soll sich dann irgendwie eine „Lösung“ ergeben.

Freiheit braucht jetzt Wehrhaftigkeit

Nichts wird sich ergeben. Die allein wichtige Frage, an der auch die Selbstachtung unserer Nation hängt, ist: Wie wird diese Aggression, dieser Krieg gegen einen Teil unseres Volkes abgestellt? Welche Maßnahmen sind notwendig und wann werden sie endlich getroffen? Man kann über alle möglichen Gefahren spekulieren, aber jetzt geht es um diese Gefahr. Und um die Mittel, die eine wehrhafte Demokratie hat, um sich gegen einen importierten Totalitarismus zu verteidigen. Angesichts der Tatsache, dass sich diese Bedrohung schon mit beträchtlicher Stärke tief im Lande festgesetzt hat, braucht Deutschland ein ausdrückliches Gesetz, das tätliche Angriffe auf Menschen jüdischen Glaubens durch Personen mit Migrantenstatus zwingend mit der Ausweisung dieser Personen ahndet. Dies Gesetz muss zugleich sicherstellen, dass die Ausreisepflichtigen nicht weiter unkontrollierbar im Land zirkulieren – durch geschlossene Abschiebeeinrichtungen.

Zugegeben, das sind drastische Maßnahmen. Kein Bürger einer freiheitlichen Demokratie wird einem solchen Gesetz begeistert zustimmen. Gewiss wird man auch wieder das Argument hören, dass so etwas „mit unserer freiheitlichen Lebensform“ nicht vereinbar ist. Verkaufen wir also, in der Abwehr der totalitären Gefahr, unsere Seele als freies Land? Ich finde ein anderes Argument stärker: Kann man wirklich von einer „freiheitlichen Lebensform“ sprechen, wenn sie in Kauf nimmt, dass durch Nicht-Handeln einer neuen Judenverfolgung in Deutschland Raum gegeben wird? Deutschland – und hier spielt seine Geschichte schon eine Rolle – kann sich an diesem Punkt nicht auf die freiheitliche Lebensform zurückziehen, sondern muss die Wehrhaftigkeit, die auch zu seinen Verfassungsgrundsätzen gehört, praktizieren.

Die neue Relativierung

Man sollte sich an dieser Stelle nicht davor scheuen, das Wort „Schande“ in den Mund zu nehmen. Und es ist – dies sei in alle Parteirichtungen gesprochen – kein Makel, wenn eine Nation bekennt, dass sie in einer geschichtlichen Periode Schande auf sich geladen hat. Oder dass sie Mühe hatte, ein schändliches Handeln zu vermeiden. Für alle Nationen ist es ein Zeichen von Selbstachtung, wenn sie ihre Entscheidungen vor diesem ernsten Hintergrund treffen. Ja, Deutschland läuft jetzt Gefahr, Schande auf sich zu laden. Nicht, weil es antisemitisch wäre, sondern weil es nicht das Notwendige zur Abwehr des Antisemitismus tut. Es gibt eine Schande des Nicht-Handelns angesichts historischer Bedrohungen.

Diese Gefahr hat jetzt in Deutschland eine konkrete Gestalt: Der islamische Antisemitismus wird relativiert. Gewiss zeigt man sich in den offiziellen Reaktionen „erschüttert“ über den erneuten Vorfall in Berlin und erklärt auch, dass man das nicht dulden kann. Aber dann erfolgt die Relativierung: Es gebe auch deutsche Antisemiten hat die Bundeskanzlerin in ihr Statement sogleich hinzugefügt. Sie lenkt damit von der Aufgabe ab, sich gezielt mit dem Vormarsch des arabisch-islamischen Antisemitismus, der direkt vor unseren Augen stattfindet, auseinanderzusetzen. Die Einreihung in alle möglichen „extremistischen“ Vorfälle, isoliert und verharmlost die akute totalitäre Bedrohung. Die Funktion, die das antisemitische Vernichtungsprogramm in der Krise der arabisch-islamischen Welt spielt, wird ausgeblendet. Dass es sich um eine Jahrhundertbedrohung handelt, wie allein schon ein Blick auf die Bevölkerungsentwicklung zeigt, wird kleingeredet.

Hält Global-Deutschland noch zu Israel?

Zwischen den beiden Staaten Deutschland und Israel besteht eine besondere und existenzielle Verbindung. Es ist eine Frage der Selbstachtung der Bundesrepublik, dass sie das Existenzrecht des Staates Israel, der in diesen Tagen sein 70jähriges Bestehen feiert, verteidigt. Auch in diesem Punkt ist unsere Freiheit untrennbar mit unserer Wehrhaftigkeit verbunden. Und diese deutsch-israelische Freundschaft ist eine bilaterale Beziehung, keine Freundschaft mit allen und jedem. Doch genau hier gibt es heute eine Bruchstelle: Merkel-Deutschland ist Global-Deutschland und Global-Deutschland kennt keine besonderen, bilateralen Beziehungen. Ist da die Gefahr nicht groß, dass die deutsche Politik im Namen ihrer globalen Offenheit die besonderen Bindungen zu Israel lockern wird? Gibt es nicht schon Untertöne, die die Freundschaft mit Israel daran knüpfen wollen, dass Israel einem „Ausgleich“ mit der arabischen-islamischen Welt zustimmt – ohne dass Deutschland Israel irgendwelche Garantien bieten könnte, dass der „Ausgleich“ nicht in eine arabisch-islamische „Rückeroberung“ umschlägt? Und da sind nicht nur Untertöne, sondern auch Handlungen: Es war Merkels Globalpolitik des offenen Deutschland, die die arabisch-islamische Massenmigration ins Land gelassen hat und damit den neuen Antisemitismus in größerem Umfang importiert hat. Und nun ist diese Kanzlerin offenbar weder willens noch fähig, alle Maßnahmen für einen wirksamen Schutz dagegen zu ergreifen. Betrachtet sie den neuen Antisemitismus als eine Folge der Globalisierung, die Deutschland in Kauf nehmen muss?

Die Relativierung hat schon begonnen

Noch erklärt die Bundeskanzlerin, dass die Sicherheit des Staates Israel zur Staatsräson der Bundesrepublik gehört. Aber es gibt schon Stimmen, die diese Bindung ins Vage verschieben und relativieren. In einem Leitartikel von Reinhard Müller (in der FAZ vom 19.4.2018) finden sich folgende Sätze: „Die historische Verantwortung Deutschlands bezeichnete die Bundeskanzlerin als Teil unserer Staatsräson. Was daraus konkret mit Blick auf den Staat Israel folgt, der seinen siebzigsten Geburtstag feiert, muss immer wieder neu entschieden werden.“ Woran hat der Autor wohl bei seinem Raunen über „neue Entscheidungen“ mit Blick auf den Staat Israel im Sinn haben?

Auch zur Judenverfolgung durch Migranten in Deutschland hat der Autor eine neue Sprachregelung gefunden. Er nennt den Angriff vom Prenzlauer Berg eine „Pöbelei“ und dann heißt es, gegen Ende des Leitartikels: „Vertriebene Palästinenser bringen eigene Erfahrungen mit Israel mit, die ebenso zu achten sind wie die Zeichen ihrer Religion.“ Der Ursprung des neuen Antisemitismus wird also nicht in der inneren Krise der islamisch-arabischen Welt gesucht, sondern in „Erfahrungen mit Israel“. Wird hier nicht angedeutet, dass Israel am neuen Antisemitismus selbst schuld ist?

Ob es an dieser heimlichen Schuldumkehr liegt, dass jetzt in Deutschland nicht von entschiedenen Maßnahmen die Rede ist? Das Handyvideo des Angriffs vom Prenzlauer Berg – es ist ein Dokument von zeitgeschichtlicher Bedeutung – wurde den meisten Fernseh-Zuschauern bisher vorenthalten.

(erschienen in meiner Kolumne bei „Tichys Einblick“ am 20.4.2018)