Ein Bürgerentscheid bestimmt, dass Hamburg sich nicht für die Olympischen Spiele bewerben darf. Das beschädigt eine deutsche Metropole von Weltruf . 

Verbietet der Stadt doch ihre Türme    

Die Olympiabewerbung Hamburg ist gescheitert – in einer Bürgerbefragung. Die Mehrheit war knapp, aber sie wurde in wenigen Wochen errungen. Die anfänglich positive Olympia-Stimmung konnte sich in der öffentlichen Debatte nicht halten. Das „Ja“ wurde demontiert. Das verrät eine eklatante Schwäche: Eine prosperierende deutsche Wachstumsmetropole kann sich nicht mehr für ein großes Projekt entscheiden. Das bedeutet im Grunde, dass sie ihre eigene herausragende Stellung nicht legitimieren kann.

Das Hauptargument betraf die erforderlichen Ausbaumaßnahmen und Investitionen. Die Kosten für die notwendigen Umbauten, die drohenden Kostensteigerungen im Laufe der Fertigstellung, die unsichere Nachnutzung der Anlagen, seien für Hamburg (und Deutschland) zu hoch, hieß es. Nun war das Hamburger Olympiaprojekt im Vergleich zu anderen, vorherigen Olympiastädten erheblich kompakter und kostengünstiger angelegt und das Argument „zu aufwendig“ lief auf etwas anderes hinaus: Dass das Geld „anderswo sinnvoller“ ausgegeben werden könne. „Anderswo“ hieß dabei vor allem, dass es in kleinere, breiter verteilte Projekte „an der Basis“ verteilt werden sollte. Es war also die Konzentration der Investitionen auf ein einzelnes Vorhaben und auf ein relativ kleines Areal, die auf Ablehnung stieß.

Das ist das alte Anti-Babylon-Ressentiment: Das Große ist das Gefährliche, jeder hohe Turm ist ein böser Turm. Er ist ein Verstoß gegen die Menschlichkeit, die angeblich immer im Kleinen und Flachen wohnt – in den berühmten „Hütten“ eben.

Das Argument „anderswo sinnvoller“ trifft im Grunde alles, was in einer Metropole wie Hamburg an großen Bauwerken errichtet wurde oder vielleicht einmal errichtet werden könnte. Es trifft die Riesenanlagen im Containerhafen oder auf dem Airbus-Gelände ebenso wie die Großkraftwerke. Es betrifft aber auch das stolze Hamburger Rathaus und den berühmten „Michel“ – zwei historische Großprojekte, die zu ihrer Zeit viel stärker das Hamburger Durchschnittsmaß beim Bauen und Geld-Ausgeben überragten und gerade dadurch der Stadt ein Profil gaben. Und die Elbphilharmonie? Natürlich sind die nachträglichen Kostensteigerungen und vor allem die Unehrlichkeit, mit der sie immer wieder geschönt wurden, ärgerlich. Aber soll das wirklich zum Königsargument werden, um in Zukunft jedes Großprojekt abzuschießen?

Dann stellt man im Grunde die Position Hamburgs als großer internationaler Gateway-City zur Disposition. Denn wie will man begründen, dass die Bewegungen von Gütern und Menschen in Zukunft ausgerechnet durch dies Tor kommen sollen, wenn man nicht bereit ist, die Kosten und Lasten zu tragen, die das mit sich bringt? Hamburg kann seine Investitionen ja nicht allein nach seinen innerstädtischen Bedürfnissen messen, sondern muss sie so anlegen, dass sie eine möglichst weite Strahlkraft haben. Man soll doch nicht meinen, dass die Welt nach Hamburg strebt, weil dort alles so nett gleichmäßig nebeneinander gestellt ist.

Eine Großstadt muss die Höhe ihrer Türme nach ihrem Ausstrahlungsbedürfnis bemessen.  Das ist der räumliche Aspekt der Zentralität, ohne den das Phänomen „Stadt“ gar nicht zu verstehen ist. Was in einer Metropole auf kleinem Raum akkumuliert wird und sie hoch aufragen lässt, ist proportional zu ihrer horizontalen Reichweite und Bindungskraft.

Zugegeben, dies „Turmgesetz“ klingt reichlich grob und mechanisch, aber es immer noch weniger grob als die Idee, auf die sich die Großprojekt-Kritiker berufen, wenn sie das Geld „anderswo sinnvoller“ ausgeben wollen: die Idee, dass eine Stadt eine möglichst gleichmäßige Verteilung von Investitionen aufweisen muss, um anziehend zu wirken. Das monotone Mantra der Gleichheit kann nicht begreifen, dass das Streben nach Egalität nur ein Nebeneinander stiften kann. Dass es keinen gemeinsamen Bezugspunkt errichten kann, der Gemeinsamkeit ermöglicht. Gleichheit ist nur eine Ersatzgröße für Gemeinsamkeit, ein nur vorgetäuschtes, gegenstandsloses, leeres Gemeinsames. Wer die Türme seiner Stadt nicht zu verteidigen weiß, gibt ihren inneren Zusammenhalt auf.

Das ist der Kernpunkt aller erfolgreichen Olympia-Städte. Man muss das Angebot wagen. Wie war es in London 2012? Wie hat man nicht überall ahnungsvoll geraunt: Die Neubauten – alles so künstlich. Die Sicherheit – ein Gefängnis für die Bürger. Die Investitionen – nur ein Strohfeuer. Und wie hat man dann über die Stimmung gestaunt, die in den Olympia-Wochen in der Stadt entstand. Wie viel Sportgeist zeigte auf einmal die Stadtgesellschaft. Ohne den erheblichen äußeren Aufwand hätte sie ihn gar nicht zum Vorschein bringen können. Und die Welt konnte einmal wieder ein Stück junges, ehrgeiziges Europa entdecken.

Das war London, die Schwesterstadt Hamburgs. Beide Metropolen sind sich in vielem so ähnlich, so verwandt. Über Jahrzehnte waren sie als Partner und Konkurrenten freundschaftlich miteinander verbunden. Doch wie gehen die Wege beider Städte jetzt auseinander!

Es sind auch die Wege der verschiedenen Nationen. Deutschland, das sich gerne als weltweiter Saubermann des Weltsports aufspielt, hat sich mit dem Hamburger Votum als globaler Veranstaltungsort verabschiedet. Im Grunde war der deutsche Abschied schon klar, als in Berlin – einer Stadt, die angeblich die deutsche Hauptstadt ist –  eine noch größere Mehrheit „Nein“ sagte.

Gut, liebe Blockademehrheit, wenn Euch also die ganze Richtung nicht passt, die die reale Welt unserer Zeit nimmt, dann seid konsequent. Lehnt alle internationalen Sportveranstaltungen auf deutschem Boden ab. Brecht überhaupt alle Großprojekte ab. Legt unsere internationalen Häfen still. Verbietet den Städten ihre Türme.

Duckt Euch zusammen in Euren Hütten und Gemeinden. Werdet Schafe. Allerdings könnte Eure Hoffnung, auf diesem Weg zu einem versorgten Dasein zu kommen, trügen. Denn das Geld, das nach der Olympia-Absage „anderswo sinnvoller“ ausgegeben werden kann, ist schon verplant – zur Versorgung jener Migranten, die Eure obersten Schafhirten Tag für Tag ins Land holen. Ihr wollt Breitensport statt Spitzensport? Wenn die Migranten in Deutschland Schlafplätze brauchen, ist auch dies Sportbedürfnis schon zu viel. Deshalb werden jetzt Euren Kindern, im Namen der Gleichheit, die Turnhallen weggenommen.