Die Verteidigungsministerin startet eine beispiellose Säuberungsaktion in der Bundeswehr. Die Kampagne gegen den „Rechtspopulismus“ wendet sich nun gegen die Institutionen der Republik.

Der Generalverdacht gegen alles Militärische

Innerhalb weniger Tage hat die Verteidigungsministerin den Fall Franco A., dessen Aufklärung gerade erst begonnen hat, in eine institutionelle Krise verwandelt. Plötzlich sitzt die ganze Bundeswehr auf der Anklagebank. Offenbar lag da etwas im regierenden Zeitgeist schon auf Abruf bereit und wartete nur darauf, aktiviert zu werden. Der Anklage-Satz der Ministerin, der bis heute nicht zurückgenommen ist, lautet: „Die Bundeswehr hat ein Haltungsproblem, und sie hat offenkundig eine Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen.“ Von der Leyen hat ausdrücklich „die“ Bundeswehr gesagt. Zugleich erweckt sie einen bestimmten Eindruck. Es soll eine Seelen-Verwandtschaft geben zwischen rechtsextremen Terrorplänen (die noch zu beweisen sind) und dem Innenleben der Bundeswehr, das angeblich zu übertriebener Härte und Erniedrigung neigt. Eigentlich wäre es dringend geboten, den Fall Franco A. aufzuklären. Aber die Ministerin instrumentalisiert den Fall, um eine vermeintlich gefährliche Entwicklung der Bundeswehr anzuprangern.

Das steht in diametralem Gegensatz zu den tatsächlichen Herausforderungen der Bundeswehr. Wir leben nicht in einem weltweiten Entspannungsszenario, wo allenfalls noch eine freundliche „Dienstleistung mit Waffe“ gefragt ist. Eher nehmen die Kriegs- und Bürgerkriegs-Tendenzen zu. In dieser Lage können die Ignoranz und die Vorurteile, die die vielbeschworene „Zivilgesellschaft“ gegen das Militärische hegt, zu einer regelrechten Sicherheits-Falle werden. Die Verteidigungsministerin hat diesen Kräften nun Tür und Tor geöffnet. Ihr Vorgehen beschädigt die besonderen Fähigkeiten und Ressourcen, auf denen die Streitkräfte beruhen, und die für die Wehrhaftigkeit und Bündnisfähigkeit Deutschlands gerade jetzt mehr denn je gebraucht werden.

Die gegenwärtige Affäre um die Bundeswehr ist ein in der Geschichte der Bundesrepublik einmaliger Vorgang. Eine Verteidigungsministerin distanziert sich öffentlich von ihrer Truppe. Es ist eine Affäre „von der Leyen“, aber es ist auch eine Folge der Kampagne gegen den „Rechtspopulismus“. Diese Kampagne führt jetzt dazu, dass eine zentrale Institution für die Sicherheit moralisch in Frage gestellt wird. Die Antwort darauf kann nur sein, dass die deutsche Öffentlichkeit sich auf die Seite der Bundeswehr stellt. Es wird höchste Zeit, dass Deutschland wieder ein redliches und respektvolles Verhältnis zu seinen Streitkräften bekommt – und zu militärischen Fragen überhaupt.

Worte einer Ministerin

Das Wort vom „Haltungsproblem der Bundeswehr“ verrät die Distanz, die von der Leyen von der Bundeswehr trennt. Wer so spricht, zeigt, wie weit er außerhalb der militärischen Einrichtung und ihrer Arbeitsabläufe steht. Man stelle sich vor, ein Wirtschaftsminister würde sich hinstellen und erklären „Die deutsche Wirtschaft hat ein Haltungsproblem.“ Oder ein Bildungsminister „Die Schulen haben ein Haltungsproblem.“ Und wo hat die Verteidigungsministerin ihren Satz gesprochen? Man könnte ja erwarten, dass sie sich zunächst einmal an diejenigen wendet, die den Betrieb der Bundeswehr führen und tragen. Dass sie zunächst ausführliche internen Untersuchung organisiert, eventuell eine Kommission zu Führungsfragen einsetzt. Doch Frau von der Leyen hat sofort den öffentlichen Auftritt gesucht. Sie hat ihren Satz in einer ZDF-Sendung gesagt. Durch diese Form des Auftritts bekommt ihr Pauschalurteil erst sein ganzes Gewicht. Sie versucht, die Öffentlichkeit zu mobilisieren. Sie regiert ihren Verantwortungsbereich über die Medien. Sie praktiziert nicht politische Führung, sondern sie „kommuniziert“ nur politische Führung. Sie verrät damit, wie sehr sie jenem Sprechblasen-Milieu entstammt, das dies Land über verbale Formeln wie „Wir schaffen das!“ oder „Mut!“ regieren will. Zu Recht hat der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, André Wüstner, zum Vorgehen von Frau von der Leyen festgestellt: „Es ist auf jeden Fall sehr ungewöhnlich, dass sie sich nach dreieinhalb Jahren in der Verantwortung plötzlich auf die Tribüne verabschiedet und über ihre Mannschaft urteilt.“ (zitiert aus der Berliner Zeitung vom 3. Mai)

Eine Woche später spricht von der Leyen, diesmal bei der ARD, von einem „Säuberungs- und Reinigungsprozess“, den sie nun mit der Bundeswehr veranstalten will. Dieser Prozess lohne sich, schreibt sie, und weiter: „Denn diese Truppe hat es verdient, auch dass wir diesen Säuberungs- und Reinigungsprozess miteinander durchleben.“ (zitiert aus der FAZ vom 9.Mai). Man beachte die klebrige Psycho-Sprache der Ministerin, die eine Art Intimerlebnis („wir durchleben miteinander“) ankündigt. Und zugleich weiß sie schon, was dabei herauskommen wird: „Es wird noch viel hochkommen, das ist gar keine Frage“. Und weiter: „Wir sind noch nicht durch das Schlimmste durch“. (zitiert aus dem gleichen Artikel der FAZ). Bevor überhaupt irgendwelche Ergebnisse von Untersuchungen vorliegen, ist für die Ministerin schon klar, dass es „viel“ und „Schlimmes“ gibt, was an der Bundeswehr wegzusäubern ist. Wer geglaubt hatte, von der Leyen habe sich mit ihrem Wort vom „Haltungsproblem“ nur vergaloppiert, weiß spätestens jetzt, dass das Wort genauso so gemeint war. Hier soll eine Bundeswehr-Wende veranstaltet werden.

Die Härte-Frage und die Traditions-Frage

Es genügt nicht, sich an den Fehlleistungen und Eitelkeiten dieser Ministerin abzuarbeiten. Wichtiger wäre es, die tatsächlichen Entwicklungsaufgaben, die sich für die Wehrhaftigkeit Deutschlands stellen, anzugehen. Sie sind in der gegenwärtigen Affäre enthalten, aber in völlig verdrehter Form. Es sind zwei Komplexe, die bei von der Leyens Wendeprogramm eine Schlüsselrolle spielen: Zum einen die Härte, die die besondere Realität von Kriegseinsätzen und die dafür erforderliche Ausbildung mit sich bringt. Zum anderen die Tradition, ohne die diese besonderen Fähigkeiten nicht motiviert, eingeordnet und verstetigt werden können. Die Säuberungskampagne der Verteidigungsministerin bezieht sich auf diese beiden Komplexe, aber sie bietet weder für die Härte noch für die Tradition eine konstruktive Lösung. Sie erzeugt in der Öffentlichkeit das Bild, dass es nur Problemkomplexe sind – und nicht grundlegende Ressourcen der Wehrhaftigkeit.

Auseinandersetzungen um diese Komplexe gibt es heute in vielen Ländern, aber sie sind in Deutschland besonders ausgeprägt. Im Laufe der Geschichte der Bundesrepublik hat es die sogenannte „Zivilgesellschaft“ geschafft, sich selbst mehr und mehr ein Alleinverdienst für den Fortschritt zuzuschreiben. In jüngerer Zeit wächst auch die Neigung, eine besondere deutsche Weltpolitik des erhobenen zivilen Zeigefinders zu machen. Überhaupt dominiert das Zivile den Erfahrungshorizont dieses Landes, das sich über Jahrzehnte unter dem militärischen Schutzschild anderer Länder bewegt hat und die Härten der Sicherheitspolitik ignorieren konnte. Diese Tendenz wurde dann durch die Abschaffung der Wehrpflicht nochmals verstärkt. Weil Streitkräfte und Waffen in der öffentlichen Wahrnehmung immer weniger präsent waren, konnte das Militärische in der Gedankenwelt zu einer ganz irrationalen Schreckensgröße wachsen. So wurde auch die Vorstellung möglich, dass die gesamte Militärgeschichte Deutschlands ein bloßes Vorspiel zu Hitler und zum Holocaust sei. Und dass deshalb jede Traditionspflege in der Bundeswehr tendenziell neonazistisch sei.

Über militärische Härte

Es gilt aber, sich bewusst zu machen, dass der Grat zwischen Realitätsnähe und Schikane gerade am scharfen Ende des Berufes, dort, wo es um Leben und Tod geht, äußerst schmal sein kann“ schrieb der Major Marcel Bohnert in einem Gastbeitrag für die FAZ (29. April). Er erinnerte dabei an die Grundsätze der Inneren Führung, die auf Initiative von Wolf Graf von Baudissin schon in den Anfangsjahren der Bundeswehr entwickelt wurden, und die auch die Unentbehrlichkeit harter und fordernder Ausbildung betonten. Bohnert verweist darauf, dass Innere Führung „weitaus mehr erfasst als zeitgemäße Menschenführung und respektvollen Umgang mit unterstelltem Personal“.

In den vergangenen Wochen Monaten gab es an einzelnen Standorten der Bundeswehr Vorfälle, bei denen der Verdacht der Schikane, der Erniedrigung und des Missbrauchs von Befehlsgewalt besteht. Doch auch hier gilt: Die Untersuchung der Fälle ist größtenteils noch nicht abgeschlossen. Und es gibt keinerlei Beleg, dass diese Fälle einen allgemeinen Trend bei der Bundeswehr ausdrücken. Auffällig ist, dass die Verteidigungsministerin, die so schnell dabei war, alle möglichen Fehlentwicklungen anzuprangern, in ihrem „offenen Brief“ an alle Angehörigen der Bundeswehr nur kleinlaut „Fragen“ formuliert. Darunter ist die Frage „Was ist angemessener militärischer Ausbildung und Erziehung geschuldet und wo überschreiten wir die Grenze zu überzogener Härte, Herabwürdigung und Schikane?“ Na super. Auf so eine tolle Frage ist natürlich noch nie jemand vorher gekommen.

Auffällig ist die Einseitigkeit der Frage. Sie lenkt die Aufmerksamkeit sogleich in Richtung „überzogene Härte“. Dabei ist es viel wahrscheinlicher, dass es ein größeres Problem in einer anderen Richtung gibt. Dass nämlich die Jahrgänge, aus denen sich heute die Bundeswehr rekrutieren muss, massive Probleme bei der körperlichen und psychischen Belastbarkeit haben. Und bei Disziplin und Gehorsam. Um diese Problemrichtung zu sehen, muss man gar kein intimer Kenner des Bundeswehrbetriebs sein. Es genügt ein Blick in unsere Schulen, Hochschulen und Ausbildungsbetriebe. Dort sind die Schwierigkeiten, Lehrstellen für Berufe zu besetzen, die als schmutzig, stressig, langweilig oder sonstwie „hart“ gelten, riesengroß. Und auch in akademischen Kreisen ist der Widerwillen gegenüber Studienfächern, die als „hart“ gelten, weil sie exaktes Wissen und hohe Lerndisziplin verlangen, beträchtlich. Wer die Nachwuchsprobleme der deutschen Wirtschaft kennt, kann sich ausmalen, wie es da in der Bundeswehr aussieht. In dieser Lage eine Kampagne gegen „überzogene Härte, Herabwürdigung und Schikane“ in der Bundeswehr zu veranstalten, ist erbärmlicher Opportunismus.

Am 5. Mai berichtet die FAZ von einer Versammlung an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg. Im Saal war auch der Major Marcel Bohnert, dessen oben zitierter Zeitungs-Beitrag ihm zunächst die Kritik von Vorgesetzten eingebracht hatte. Aber die Versammlung nahm dann eine andere Wendung: „Nach der Kritik an der Veröffentlichung sei ein Raunen durch den Saal gegangen, berichten Versammlungsteilnehmer. Mehrere Offiziere seien aufgestanden und hätten unter Nennung von Name und Dienstgrad ihre Unterstützung für Bohnert geäußert. Dieser habe, so ein Offizier, mit seinen Äußerungen `eine Lücke gefüllt, welche die militärische Führung durch ihre Passivität hinterlassen´ habe. Ein anderer soll den Kommandeur gefragt haben, warum ein Soldat sich nicht öffentlich äußern solle. Innere Führung bedeute doch schließlich, dass Soldaten mündige Bürger seien. Daraufhin habe es Applaus gegeben.“ (FAZ vom 5.5.2017)

Darf es in Deutschland eine Militärtradition geben?

Während die Verteidigungsministerin beim Thema „Härte“ bisher nur Fragezeichen geliefert hat, scheint sie sich beim Thema „Tradition“ sehr stark zu fühlen. Die Traditionsfrage verkürzt sich dabei auf „Wehrmachtsfrage“: Von der Leyen hat erklärt, sie werde gegen jegliche Bezugnahme auf die Wehrmacht vorgehen, einschließlich aller Ausrüstungsgegenstände, Embleme, Bilder, Liedgut, militärischen Praktiken. Hier verspricht die Säuberung medienwirksame Aktionen und „Fundstücke“. Geschickt wurde inzwischen der Begriff „Devotionalie“ lanciert, der den Eindruck erweckt, dass jedes Bild in einer Kaserne Gegenstand unterwürfiger Anbetung ist. Die deutsche und internationale Öffentlichkeit muss den Eindruck bekommen, die Bundeswehr hätte keinerlei kritische Distanz zur NS-Wehrmacht und verneige sich täglich vor NS-Größen. Das ist eine Tatsachenverdrehung der übelsten Sorte.

Der geltende Traditionserlass der Bundeswehr, der 1982 unter dem Verteidigungsminister Hans Apel (SPD) beschlossen wurde, schließt jegliche Fortführung von Organisationselementen der NS-Wehrmacht auf die Bundeswehr aus. In Punkt 22 des Erlasses werden ausdrücklich nationalsozialistische Kennzeichen, Standarten-Übertragungen von ehemaligen Truppenteilen auf Bundeswehrtruppenteile und Kontakte mit Nachfolgeorganisationen der Waffen-SS untersagt. Zugleich heißt es im Punkt 25 des Traditionserlasses: „Das Sammeln von Waffen, Modellen, Urkunden, Fahnen, Bildern, Orden und Ausrüstungsgegenständen ist erlaubt. Es dient der Kenntnis und dem Interesse an der Geschichte und belegt, was gewesen ist. Die Art und Weise, in der wehrkundliche Exponate gezeigt werden, muss die Einordnung in einen geschichtlichen Zusammenhang erkennen lassen. Die äußere Aufmachung muss diesen Richtlinien entsprechen.“ Der Traditionserlass ist also weder ein „Verehrungserlass“ noch ein „Säuberungserlass“. Er versucht zu differenzieren. Es wird ein klarer Trennungsstrich zur Wehrmacht als Teil des NS-Unrechtsstaats gezogen, aber es wird auch ein Mindestmaß an militärisch-historischer Kontinuität gewahrt.

Die Verteidigungsministerin müsste also präzisieren, was sie hier ändern will. Gibt es eine andere Antwort auf die Traditionsfrage als die Differenzierung? Und hier gibt es einen kritischen Kipp-Punkt: Soll in Zukunft verschwiegen werden, dass es militärische Erkenntnisse, Errungenschaften und Tugenden aus diesem Zeitabschnitt gibt, die in der Kontinuität der Militärgeschichte einen Fortschritt darstellen, auf den die heutige Praxis aufbaut? Wird hier ein Tabu errichtet, tabuisiert man in Wirklichkeit jede militärische Erwägung und jede militärische Vernunft. Dann wird aus jedem Schlachtenbild und jedem Maschinengewehr nur noch Menschenverachtung herausgelesen. Und dann gibt es auch keine Freiheit mehr, die es wert wäre, militärisch verteidigt zu werden. Wer mit der militärischen Tradition auf Kriegsfuß steht, kann für die militärischen Fähigkeiten auch keine Zukunft begründen. Wer hingegen die militärische Verteidigung von Freiheit und Sicherheit bejaht, kann in Deutschland nur für eine differenzierende Tradition eintreten: Es muss zwischen der Bewertung des NS-Regimes und seiner Vernichtungskriege einerseits und der Bewertung militärischer Fähigkeiten andererseits unterschieden werden. Jeder einseitige Versuch, in der Traditionspflege mit Tabula-rasa-Methoden vorzugehen, ist töricht und grob.

Militärhistorische Urteile über die Wehrmacht

Im Wikipedia-Eintrag zu „Wehrmacht“ findet man unter der Überschrift „Einschätzung der Wehrmacht durch Historiker“ Zitate, die sich mit der Kampfkraft, Organisation und Ausbildung der deutschen Wehrmacht befassen.

„Der israelische Militärhistoriker Martin van Creveld, der die Kampfkraft der Wehrmacht untersucht hat, wobei er dies Phänomen aus dem politisch-militärischen Gesamtzusammenhang herauslöst und damit isoliert betrachtet, kommt zu dem Schluss: `Das deutsche Heer war eine vorzügliche Kampforganisation. Im Hinblick auf Moral, Elan, Truppenzusammenhalt und Elastizität war ihm wahrscheinlich unter den Armeen des zwanzigsten Jahrhunderts keine ebenbürtig´. Der Potsdamer Historiker Rolf-Dieter Müller kommt zu folgendem Urteil: `Im rein militärischen Sinne … kann man in der Tat sagen, dass der Eindruck von einer überlegenen Kampfkraft zu Recht besteht…´ Zu einem ähnlichen Urteil kommt der französische Historiker Philippe Masson. Auch Colin Gray bescheinigt der Wehrmacht herausragende Ausbildungsmethoden und Taktiken, stellt diesen aber eine nachlässige Aufklärung und Logistik gegenüber, die mit ihrer `Siegestrunkenheit´ (victory disease) nach ihren Anfangserfolgen in Verbindung stehen.

Der Wikipedia-Beitrag weist auch darauf hin, dass der Begriff „Wehrmacht“ kein spezifischer NS-Begriff war, sondern ab Mitte des 19.Jahrhunderts als Oberbegriff für die Streitkräfte in Gebrauch war. So taucht er bereits in der Paulskirchenverfassung von 1849 auf. Ebenso wurde im Gesetz über die Bildung einer vorläufigen Reichswehr vom 6. März 1919 von der `Wehrmacht´ gesprochen, also zu Beginn der Weimarer Republik.

Und wie sieht es mit den „Devotionalien“ aus?

Kenner der Materie haben in den letzten Tagen schon einige Dinge benannt, die nun auf den Scheiterhaufen der ministeriellen Hexenjagd landen müssten. In einem Beitrag auf dem Web-Forum „Die Achse des Guten“ schreibt Jesko Matthes mit Blick auf das Wachbataillon der Bundeswehr: „Der Helm M92 ist eine Weiterentwicklung des Stahlhelms M35 der Wehrmacht, nur, dass er für das Wachbataillon in dunkelgrauem Hochglanz als Paradehelm ausgeliefert wird. Die Stiefel des Wachbataillons sind die letzten in der Bundeswehr getragenen `Knobelbecher´. Auf dem Feldzeichen des Schellenbaums sitzt nicht der Bundesadler, sondern ein modifizierter preußischer Adler. Zum `Präsentiert das Gewehr!´ wird nicht das G36 präsentiert, sondern der Karabiner 98k der Wehrmacht. Formal ist der `Große Zapfenstreich´ bis ins Detail eine Fortentwicklung des entsprechenden Wehrmachtzeremoniells. Dementsprechend sind also alle bisherigen Bundespräsidenten, Bundeskanzler und Verteidigungsminister unter Nutzung zeremonieller, optischer und akustischer Wehrmachtsdevotionalien verabschiedet worden.“ An der Bundeswehrhochschule in Hamburg hat die Devotionalien-Jagd dazu geführt, dass ein Bild, das den Altbundeskanzler Helmut Schmidt (er ist Namensgeber der Hochschule) in Wehrmachtsuniform zeigt, abgehängt werden musste.

Und dann kam der 17. Mai. An diesem Tag sollten der Öffentlichkeit die Ergebnisse der Säuberungsaktion vorgelegt werden. Was dann tatsächlich vorgelegt wurde, ist mehr als mager, von 41 „Vorkommnissen“ ist nun die Rede. Und merkwürdigerweise werden sie nicht im Detail aufgelistet und beschrieben. Nun ist auf einmal von einer „Begehung“ der Kasernen die Rede. Die FAZ vom 18.Mai berichtet, von der Leyen habe erklärt, „es sei unklug, jetzt mit Zahlen zu kommen, weil es ja nicht in erster Linie um die Suche nach weiteren Wehrmachtdevotionalien gegangen sei, sondern erstens darum, das Bewusstsein für den Umgang mit solchen Funden bei Vorgesetzten zu schärfen, und zweitens darum, ein Null-Linie zu ziehen.“ Mit anderen Worten: Zunächst setzt die Verteidigungsministerin das Ansehen der Bundeswehr mit schwersten Anklagen herab, dann belegt sie diese Anklagen nicht einmal annähernd. Und schon schickt sie das nächste Phrasenwort auf den Weg („Null-Linie“), das irgendwie radikal klingt, ohne dass die entscheidende rechtliche Frage, in wieweit der geltende Traditionsanlass nicht mehr gilt, geklärt wäre.

Die Rechtspopulismus-Kampagne wird zur Institutionen-Demontage

Die Ministerin hält also den Generalverdacht über die Bundeswehr aufrecht. Nichts ist bereinigt, nichts ist zurückgenommen. Die ideologischen Angriffe werden also weitergehen. Wo diese Verteidigungsministerin in Zukunft in Sachen Bundeswehr auftritt, wird man sich immer an den Generalverdacht erinnern, in den sie die Truppe gestellt hat. Zunächst hatte man den Eindruck, dass einige gestandene Sozialdemokraten, die mit der Realität der Truppe weniger fremdeln als Frau von der Leyen, sich schützend vor die Bundeswehr stellen wollten. Doch inzwischen scheint Rot-Rot-Grün die CDU beim Säubern noch übertreffen zu wollen. Unübersehbar ist hier jener Reflex am Werk, der in der gesamten deutschen Politik zur Herrschaft gelangt ist – der Reflex gegen die angebliche „Gefahr von rechts“. Ihre Beschwörung ist der Türöffner für Säuberungsaktion in den Kasernen.

Das Wort „Rechtspopulismus“ erweckt ja zunächst den Eindruck, es ginge um einen „Pöbel“, der aus dem Ruder läuft – also um etwas Dummes und Sittenloses. Doch nun wendet sich der Reflex gegen die Bundeswehr und damit gegen eine Institution. Auf einmal ist ein tragendes Element der Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik „rechtspopulistisch“. Jetzt zeigt sich, dass die Kampagne gegen die angebliche „Gefahr von rechts in Deutschland“ eine verdeckte Stoßrichtung enthält. Sie zielt auf das politische Grundgefüge der Republik, sie läuft auf eine Institutionen-Demontage hinaus. Der Angriff auf die Bundeswehr zielt auf den wehrhaften Kern der Republik. Er soll aufgelöst werden in eine unspezifische staatsbürgerliche Haltung, die so allgemein und beliebig ist, dass sie für alle möglichen öffentlichen Einrichtungen gelten könnte. Am Ende würde die Bundeswehr zu einem Verein, der „überall die frohe Botschaft des Grundgesetzes verkündet, damit die Welt endlich am neuen deutschen Wesen genese“, schrieb Berthold Kohler am 3. Mai in einem bitterbösen Kommentar in der FAZ.

Und diese Entwaffnung Deutschlands geschieht zu einem Zeitpunkt, wo die militärischen Bedrohungen zunehmen, insbesondere durch die Radikalisierung der islamischen Welt. Während die Verteidigungsministerin gegen die eigene Truppe schießt, ist die Gefahr, dass Soldaten mitten in Deutschland das Opfer von Terroranschlägen werden, größer denn je.

 

 

(erschienen am 19.Mai 2017 bei „Tichys Einblick“)